Erinnern Sie sich noch an den Moment, in dem Sie erwachsen geworden sind?

Oder erwachsen werden mussten?

Oder, nochmal anders: erwachsen werden wollten?

Oder, ganz was anderes: Finden Sie vielleicht sogar, erwachsen werden wird überschätzt?

Ich glaube, Sie haben in jedem Fall eine Ahnung davon, wie erwachsen werden oder sein geht. Oder angeblich gehen soll.

Ich finde, es ist ein bisschen wie das Gefühl, dass man alles einmal gesehen hat. Den Rausch – mit Musik oder ohne, hoch fliegend, den Kopf ausgestellt und nur im Gefühl. 

Die Liebe – heiß und stark und brennend und sie hat Dich ganz eingenommen. Du warst sie und sie war Du. 

Das Glück und die Verzweiflung. Das leichte helle Leben, getragen und genommen ohne Verluste und ohne dafür zu bezahlen. Und dann zerbricht und zerbröselt es, Du sitzt da und fegst die Scherben auf und eigentlich hast Du keine Kraft mehr dafür. Und Du hoffst. Auf Rettung, auf anderswerden. Manchmal wurdest Du enttäuscht und manchmal darin bestärkt. 

Das war das erwachsen werden. Alles gesehen, gespürt. Zumindest das, wovon man denkt, es gehöre ganz sicher zum Leben dazu.

All das passiert nicht in dieser Reihenfolge. Aber wahrscheinlich stimmen Sie mir zu, wenn ich behaupte: Das ist Leben. Sein. Nach Atem ringen und tief Luft holen und wieder hinein in das Leben.

Vielleicht kann man auch in verschiedenen Bereichen des Lebens zu unterschiedlichen Zeiten erwachsen werden. Wahrscheinlich sogar. Dass wir in unserem Leben wachsen und an uns wachsen fällt uns allerdings nicht immer auf. Eher bezweifeln wir es. Schließlich ist es kein „immer klüger, besser, vernünftiger werden“. Nein, wir sind nicht zur Optimierung gemacht.

Ich glaube, all diesen Erfahrungen konnten wir ein bisschen wie von außen zusehen, wenn die letzten großen Kirchenfeste zu uns herholen. Die Jesus-Geschichten. Geboren, gewirkt, gewundert, geheilt, geliebt, gekreuzigt, gestorben, geheiligt und gen Himmel gefahren. Ein bisschen wie erwachsen werden im Schnelldurchlauf. Also für Jesus. Oder für uns, wenn wir uns kurz vorstellen, dass auch unser Leben all das kennt. Bei jedem anders und trotzdem ist es so: Das Leben.

Halten wir fest: Jesus hatte die Geschichte einmal durch. Und dann? War er gewissermaßen raus aus dem Spiel. Seit Himmelfahrt gesichert auf einer Wolke. Sieht von oben zu. Aus sicherer Entfernung. Wer nun aber schlagartig auch erwachsen werden musste, waren die Jüngerinnen und Jünger. 

Grade noch am See mit ihm gestanden und Fische gegrillt. Grade noch im Garten gewesen und versucht, ihn festzuhalten.

Grade noch in die Wunden gefasst. Grade doch noch Brot und Wein und reden und ganze, pure Gegenwart. Ich in Dir, Gott und Du in mir.

Der Moment, wo die Jüngerinnen und Jünger erwachsen werden ist zugleich der Moment, wo alles anfängt. Zumindest sagen wir das heutzutage immer so: Der Geburtstag der Kirche – Pfingsten. Da wo das mit der Gemeinschaft anfing und das zusammen sein und teilen. So, als ob es davor viele Einzelne gewesen wären und danach ein Miteinander. Und auch in der Pfingstgeschichte ist es so: Ein Brausen. Feuerflammen. Worte geistern durch die Luft. Erfassen sie. Und sie fangen an zu reden in tausenden Sprachen.

Das muss er sein. Das Wehen, die Luft. Flügelschlagen. Geist und Kraft, die weht. Ich schick euch tröstendes Wehen, heiligen Geist, hat Jesus gesagt. Ich schick Euch den Trost, dass ihr das Leben weiterleben könnt. In tausenden Sprachen und Worten, an allen Euren Orten. 

Pfingsten heißt: Ich schick Euch den Trost und die Kraft. Den Mut und das Wagnis. Den Trotz. Den heiligen Widerstand gegen die Angst. Geist, der kein Gespenst ist, sondern weht in freiem Geist. Pfingsten fängt an, wenn man erwachsen wird im Leben. Wenn man verstanden hat: Ich werde dieses Leben leben. Mit allem was kommt. Und allem zu Trotz. Dem Leiden zum Trotz. Der Angst zum Trotz.

Dafür schicke ich Euch den heiligen Geist.

Liebe Gemeinde, wenn wir erwachsen werden im Leben, verstehen wir, dass wir die Liebe und das Leiden nicht ausblenden können. Durch beides müssen wir durch. Und nicht nur durch – schließlich geht es nicht darum, das möglichst schnell hinter sich zu bringen, oder?

Aber wie macht man das? Woher kommt die Kraft? Woher kommt der Mut? Sie alle haben ihre eigenen Orte im Leben, wo sie das brauchen. Und eine Lösung hat niemand. Für mich heißt der Tröster-Geist von Pfingsten aber, dass es genau so gedacht ist: Dass wir Trotz und Widerstand und Feuer brauchen für das was kommt. Dass es manchmal tausend Sprachen braucht um zu beschreiben, was im Leben passiert. 

Für mich ist es ein Trost, dass wir es ohne Geist, ohne Trost, ohne Widerstandskraft nicht schaffen würden. Es kann nicht an Ostern mit der Hoffnung und der Freude aufhören. Die Jünger brauchen den Trotz und den Freiheitsgeist um weitermachen zu können. Und wir auch. 

Es fängt ein Leben an, bei dem wir grundsätzlich verstanden haben, worum es geht. Und jetzt kommt die Kür. Der Versuch, das Leben so zu gestalten, wie ich es brauche. Und das kann so unterschiedlich aussehen. 

Ich wische bis in die Ecken meines Lebens, verfeinere die Details. 

Das Backblech nicht nur ausfetten, sondern auch mit Mehl bestäuben. Das Waschmittel richtig dosieren und Untersetzer für die Gläser auf dem Tisch. 

Den freien Tag so verbringen wie ich es will und nicht, wie man sagt, dass es gut sein soll. Die Kinder so erziehen, wie es sich richtig anfühlt und nicht wie die Schwiegermutter es sich vorstellt. Das Leistungsrad an der Stelle zurückdrehen, wo es hakt. Das alles braucht Mut und Geist und Trotz.

Heiligen Geist. Und tausend Sprachen, die man verstehen kann. In der Du mit Dir selbst sprichst. Und Dich verstehst. In der Du mit den anderen sprichst. Und versuchst sie zu verstehen.

Das ist nicht leicht. Gar nicht. Leben ist ein hartes Konzept. Der heilige Geist weht uns nicht darüber hinweg. Eher mitten hinein. 

Die Jünger*innen wurden an Himmelfahrt erwachsen. So wie wir erwachsen werden müssen, mitten in der Tiefe des Lebens. Jesus steigt auf in den Himmel: So, jetzt müsst ihr klarkommen. Wir haben jetzt alles einmal durch, sogar den Tod. Und wir, liebe Gemeinde, haben auch schon ziemlich viel durch. Aber wir haben auch den Moment im Herzen, als Jesus auffährt und geht. Den Heiligen Geist wehen lässt und uns in Herz pustet. Ich vertraue Euch, ihr könnt das. Und wisst ihr was: Meinen Segen habt ihr.

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