Der Altar ist abgeräumt. Die Osterkerze brennt nicht mehr. Das Abendmahlsgeschirr steht nicht mehr da. Die Dornenkrone liegt vor dem Kreuz.
Alles abgeräumt
Alles leer.
Wo Kerzen waren bleibt jetzt der Rauch. Wo Essen und Trinken waren bleibt jetzt die Leere. Wo Wahrheit war, ist nur noch das Fragezeichen übrig geblieben. Wo das Lachen und die Liebe waren, sind Leere und Vermissen.
Alles abgeräumt. Alles leer. Wo die Vögel gesungen haben, ist es still. Wo sie gemeinsam geredet haben, ist es leise, so leise. Und in der Luft liegt es noch. Die Gemeinschaft. Das Zusammen und nicht allein.
Was ist leer, bei Dir? Ist es dein Herz, weil es schon so lange nicht mehr kräftig geschlagen hat?
Ist es Dein Bauch, weil etwas fehlt? Der Mensch, der alles weiß, was Du nicht sagst? Das Gefühl, anzukommen?
Was ist leer bei Dir? Ist es Dein Kopf, weil er so, so leergedacht ist? Weil sich alle Gedanken die Klinke in die Hand geben und Du nicht mehr weißt, wo sie anfangen und wo sie aufhören?
Was ist leer bei Dir? Ist es der Morgen, weil das Aufstehen keinen Sinn macht, weder heute noch morgen? Oder ist es der Abend, weil ja doch nichts aufhört, selbst wenn der Tag endet und die Nacht beginnt?
Das Leben wird uns fremd, wenn es so leer wird in uns. Das Leben wird uns fremd, wenn es so leer ist, weil nichts mehr darin uns an das Leben erinnert, das wir hatten.
Das Leben wird uns fremd und wir selbst sind Fremdkörper darin.
Ist das das Leben, das wir suchten? Oder sind einfach wir die falschen in diesem Leben?
Gott, ist das das Leben, das Du für mich wolltest? Oder habe ich einfach nicht verstanden, es richtig zu leben?
Fremd wirst Du mir, Leben.
Fremd wirst Du mir, wenn Du mir vor die Füße spuckst. Mir das Liebste nimmst, was ich habe. Mir mehr Steine in die Seele legst, als meine Kraft und meine Hoffnung wegspülen kann. Fremd wirst Du mir Gott, wenn ich glaube, dass Du das alles verantworten kannst. Fremd wirst Du mir, Gott, auf Golgatha. Auf diesem Berg voller Schädel und Knochen, voller hingerichteter Hoffnungen und Träume. Fremd bist Du mir Gott, auf Golgatha.
Und voller Schmerz denk ich das Leben in Fülle. Und voller Sehnsucht denk ich an die Momente der Fülle: Als wir gegessen haben. Gelacht und getanzt. Manchmal unter Tränen, wenn es nötig war. Gesungen, auch schief und ohne den richtigen Text.
Wann ist es voll, bei Dir?
Wenn Deine Füße wie von selber laufen? Weil es die Freundschaft ist und der Glaube an das Gute, die Dich tragen? Weil es immer einen Grund gibt, die Tür aufzumachen?
Wann ist es voll bei Dir? Wenn Du Dir den Bauch hältst vor lauter Lachen? Oder wenn Dein Mund lächelt beim Gedanken an sie? Wenn Du die Schokolade auf der Zunge spürst? Das Süße, das Herbe?
Wann ist Dein Leben voll? Voller Liebe und Wärme. Voller Zuneigung? Zu Dir? Zum Rest der Welt?
So wie ich mich dem Schönen hingebe, so hast Du Dich auch hingegeben, Gott. Hast Dich geteilt damals am See. Als sie so viele Fische haben und so viele Brote, dass sie alle satt wurden. Und noch so viel übrig blieb. Du hast Dich hingegeben Gott, hast Dich geteilt. Du hast nie aufgehört, Gott zu sein. Und hast doch jeden Moment geteilt. Die Tränen der Mütter und die Schmerzen der Väter. Du hast Dich nicht herausgehalten aus der Welt. Wie um uns zu zeigen, dass es möglich ist.
Dass es möglich ist, zu leben und trotzdem zu scheitern. Dass es möglich ist, das größte Glück zu kennen und den Tod nicht zu leugnen.
Du Gott, Du hast es ernst gemeint. Mit dem Leben. Du leugnest nicht, dass wir scheitern. Dass wir uns so verrennen. Dass wir zerreißen, was wir lieben, vor lauter Sehnsucht nach der Fülle. Du leugnest nicht, dass wir scheitern. Weil wir gehen, wenn wir bleiben sollten. Weil wir reden, obwohl wir nichts wissen. Nein, Du leugnest es nicht. Verleugnest nicht, dass wir der Sünde ins Gesicht schauen. Und ihr nachgehen.
Du Gott, Du hast es ernst gemeint. Mit dem Leben. Und mit seinen Konsequenzen. Bis dass der Tod uns scheidet, war allerdings nicht Dein Plan. Dein Tod ist gekommen. Du bist im Endlichen dieser Welt geblieben. Hast Dich nicht entzogen. Hast ernst gemacht mit dem Leben und dem Tod. An diesem Holz hängst Du. Ohne Dein Kreuz hätten wir nicht gewusst, dass Du jeden Schritt mit uns gehst. Ohne Dein Kreuz hätten wir nicht gewusst, dass unsere Risse dazugehören. Dass unser Zerrissensein, unser Fehlen und Scheitern uns nicht trennt. Nicht von Dir und Deiner Liebe. Nicht von unserem Leben.
Du bist das Trotzdem, Gott. Das trotz dem Schmerz. Das trotz der Angst. Das trotz der Schuld.
Schauen wir heute auf ihn. Schauen wir heute weg von uns. Weg von unserer Schuld. Sie ist in ihm. Da auf dem Kreuz. Da in den Dornen. Geht nicht weg, aber ist aufgehoben in der Gnade. In der Liebe. Im Trotzdem.
Die Brotkrumen sehen wir noch und vielleicht auch die Ringe vom Rotwein auf der Tischplatte. So sehr wir auch schrubben, sie gehen nicht weg. Abschleifen ginge, ja, das ginge, aber es würde doch dann alles weg sein, auch das Schöne. Der Geschmack vom Wein und die Süße der Trauben. Leergeräumt ist der Tisch. Doch das Kreuz bleibt. Und in ihm bleiben auch wir. Im Schmerz. In der Liebe. In der Stille.