Wenn Gott eine Bewegung wäre, er wäre das Suchen. Er wäre das Suchen, das findet. Im Dickicht und in der Nacht. Im Geheimnis. Ganz am Ende. Am Anfang von Allem. Gott ist das Suchen. Wer sucht, gibt nicht auf. Du willst finden. Den Schlüssel, die fehlende Schraube, die Stelle, an der es weh tut. Suchen ist versuchen. An verschiedenen Stellen und mal mit mehr, mal mit weniger Mut. Versuchen ist übrigens nicht kämpfen. Beim Kämpfen wird der Blick eng und starr und fokussiert sich auf eine einzige Sache. Das Versuchen ist anders. Man braucht einen weiten Blick dazu, weil man noch nicht weiß wie es gelingen kann. So wie man beim Suchen eigentlich überall suchen muss – schließlich weiß man ja nicht, wo man es verloren hat. Gott ist das Suchen. Das sagen auch die biblischen Texte, die den heutigen Sonntag gestalten.
Die Geschichte vom verlorenen Schaf, das der Hirte nach Hause trägt. Von dem einen Silbergroschen, den die Frau nach langem Suchen endlich findet. Und allen davon erzählt. Vom verlorenen Sohn, der bei den Schweinen lebt. Der am Ende in der Umarmung seines Vaters versinkt.
Die Geschichte von Jona, der davonläuft und gegen seinen Willen trotzdem gefunden wird.
Irgendwie schleichen sich ja in alle Geschichten vom Verlorenen auch immer wieder folgende Assoziationen ein: vom Weg abkommen. Weglaufen. Sich vor der Verantwortung drücken. Das Falsche tun. Sich im Dickicht verheddern, im Gestrüpp hängen bleiben. Das Schaf kommt vom Weg ab. Nirgends steht, dass das seine Schuld war. (Und überhaupt: Können Schafe schuldig sein?) Und der Sohn: so unvernünftig, so dumm, das ganze Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Warum muss er auch davonlaufen? Und Jona, der Feigling, der nicht kapiert, was wichtig ist. Der sich drückt vor Gottes Auftrag.
Man fühlt sich wohl in den Geschichten, wenn man fragt, was falsch gelaufen ist. Wenn man den Verlorenen zum Sünder macht. Aber was ist eigentlich mit dem Silbergroschen? Ist der auch selber schuld?
Und warum eigentlich läuft Gott dem Jona hinterher? Und wo bleibt die Moralpredigt des Vaters? Warum geht der Hirte überhaupt los? Liebe Gemeinde, Sie kennen das schon: Weil es eben der liebe Gott ist. Der Gute. Der liebende und vergebende Vater. Da fehlt die Moralpredigt. Da fehlt die gerechte Strafe. Dem Propheten wird nicht die Prophetenerlaubnis entzogen und dem Sohn nicht das Erbe. Der Sohn fliegt in die offenen Arme des Vaters. Jona findet Schutz unter den Zweigen des Baumes. Das Schaf ruht sich auf den Schultern aus. Kein Tun mehr. Kein Rechtfertigen mehr. Kein Erklären. Nur sein. Nur fallen. Nur Gnade.
Diese offenen Arme. Diese Umarmung. Dieses Loslassen.
Liebe Gemeinde, es ist kein Zufall, dass wir den Segen mit offenen Armen sprechen. Als ob wir jemanden mit Gnade umarmen würden. Wer gesegnet wird, stürzt sich mit geschlossenen Augen in die offenen Arme. Einmal will er nicht zweifeln, einmal nicht fragen. Das ist schwer, weil es schwer ist, sich trösten zu lassen.
Wenn Du gesegnet wirst, da schaust Du weg von Dir. Du darfst es.
Wo ist so ein Gott, wie Du es bist? Der meine Sünde mit Füßen tritt und die Schuld in die Tiefen des Meeres stürzt?
In die Tiefen des Meeres, da ist die Schuld jetzt. Wenn wir Menschen so unter uns es mit Schuld zu tun haben, dann gelingt es uns vielleicht, sie in ein Wasserglas zu werfen. Man sieht bis auf den Grund. Die ganze Schuld. Wir sehen die Steine, die wir darauf werfen. Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten. Und wir sehen sie trotzdem. Die Schuld und die Steine im Wasserglas.
Gott ist das Meer, da wo die Schuld tief unten auf den Grund fällt. In den Abgrund seines Meeres stürzen wir im Segen. In der ewigen Umarmung Gottes.
Wenn Gott eine Bewegung wäre, sie wäre das Suchen. Wäre Gott eine Geste, sie wäre eine Umarmung. Wäre Gott das letzte, was wir spüren, es wäre Gnade.