Eine Treppe zum Fliehen, zum Ersteigen, Verkriechen, Verstecken
Auf dem Dachboden vielleicht. Der öffnet sich bei mir nur mit einer Luke. Eine Treppe reicht dann herunter bis in meine warme Dachwohnung aus Holz. Oben dann die alten Koffer, Spielsachen und Ostereier aus Plastik. Manchmal hole ich was herunter. Einfach so, ohne es zu brauchen.
Eine Treppe zum Ersteigen, Erklimmen, ersteigern das Beste. Die Karriereleiter ganz weit und weiter hinauf, weil vielleicht wird es dir gut sein und besser als unten. Die stille Hoffnung, es möge so sein.
Die Tonleiter bis zum hohen C, oder nein, sagen wir nicht C in diesen Zeiten, vielleicht ist es ja ein F wie Freiheit, J wie Jubel. L wie Liebe? Ach nein, diese Töne gibt es ja nicht.
Gibt es eigentlich eine Liebesleiter? Eine Schokoladenleiter? Eine Leiter voller Umarmungen?
Das hätte er wohl gern gehabt. Der Jakob da auf der Flucht. Wie er rennt und läuft und flieht. Weit weg vom Betrug, von der List, vom erschlichenen Segen. Er hatte sich Film um die Arme gebunden, für den fast blinden Vater hat es gereicht.
Erschlichener Segen – bringt der Segen? Geht das? Oder muss man so oder so einfach davonlaufen?In tiefster Nacht und weit weg von Allem, was er jemals wollte und noch lange nicht da, wo er eigentlich sein wollte.
Legt er sich auf den Boden. Als Kissen ein Stein. Und träumt. Von der Leiter, die mit der Spitze den Himmel anrührt. Berührt, kitzelt, als wären es Wolken aus Watte.
Engel steigen auf und nieder. Und oben steht der Gott. Und verspricht Dir das Blau vom Himmel. Die Liebe, das Glück, den größten Segen. Und Du, Du glaubst ihm.
Am Fuße der Leiter. Ein zufälliger Ort wird Dir jetzt heilig. Nur ein Stein und jetzt ist es Bet-El, Haus Gottes. Ort, wo man Gott träumen kann und er Dich. Leiterweise, literweise vielleicht träumt er Dich. Zufällig, absichtlich, jetzt und hier
Ja, dann sollst Du wirklich mein Gott sein und ich ganz Dein. Wenn das denn ginge, wenn der Segen wirklich überall über mich kommen kann?
Auf der Flucht. In der Nacht, im fernen Leben, das Du nie führen wolltest. Nach der List und dem Betrug. Dann ist das vielleicht gar kein schnöder Optimismus.
Sondern Engelskraft und Himmelsmacht. Eine Strickleiter aus Deinem Leben mitten in Dein Leben hinein. Da fängt Dein Himmel an. Hinlegen muss man sich vielleicht dafür, den Kopf auf etwas Hartes legen. Eigentlich zu hart.
Und dann die Engel sehen, steigen auf und nieder, tanzen vielleicht. Und Du weißt, es geht gar nicht ums Ankommen.
Den Engeln auf der Jakobsleiter nicht. Und in Dir auch nicht. Es geht nicht darum, am richtigen Ort anzukommen im Leben. Es ist ein zufälliger, ein harter, kalter Ort. Wo die Leiter steht, wo Dein Himmel vielleicht anfängt.
Da bin ich Dein Gott. Will Dir Gutes nach Deinem Schlechten, Deinem Fehlen, Deiner Flucht.
Ja, Gott, das würde ich schon gern träumen. Dass mein Himmel anfangen kann. Auf dem harten, kalten und zufälligen Boden. Amen.
Liebe Sabrina, wie leer waren die Wochen ohne Deine Zeilen und Gedanken. Ich habe sie jedenfalls vermisst. Guten Start nach dem Urlaub und Gottes Segen an Dich. LG Dirk
Vielen Dank, Lieber Dirk, das ist aber lieb von Dir! Alles Gute zu Dir!
Was für ein schöner Text, vielen Dank. Erinnert mich an den Herzog Tassilo, der hat auch von einer Leiter geträumt und ich, auch stets auf der Flucht, habe mal davon geträumt, dass der Herzog Tassilo das geträumt hat. Seitdem glaube ich wieder an Engel, echt jetzt. Bei mir sind die allerdings etwas undiszipliniert und der CEO droben ist etwas gschlampert, wie die erste Strophe des wunderschönen Weihnachtsliedes „Stehts auf, meine Buama“ es so schön beschreibt.
Mir persönlich gefällt dieses Leiter-Bild sehr gut.
Und auf einmal ist der Boden gar nicht mehr so kalt und hart.
Lieber Wilhelm, das haben Sie so schön und berührend formuliert. Danke. Ich kenne den Herzog Tassilo gar nicht! Einen gschlamperte CEOs kann ich mir grade so gut vorstellen – danke!
Viele herzliche Grüße zu Ihnen!
Na ja, der Legende nach war Herzog Tassilo von Bayern mit seinem Gefährten Wezzo auf der Jagd in den Wäldern nördlich des Hohenpeißenberges. Eines Abends legte er sich völlig erschöpft unter eine Winterlinde zum Schlafen. Im Traum sah Tassilo eine Quelle, von der aus sich eine Leiter bis zum Himmel erhob. Auf dieser Leiter wandelten Engel auf und ab, sie schöpften Wasser aus der Quelle und trugen es zum Himmel. Als Tassilo am nächsten Morgen aufwachte, schickte er den Gefährten Wezzo los um die Quelle zu suchen, der sie dann auch fand. Tassilo entschloss sich, an dieser Stelle ein Kloster zu bauen und benannte es nach dem Namen seines Gefährten: Wessobrunn. Das Kloster und die uralte Winterlinde („Tassilolinde“) stehen noch, für mich irgendwie ein mystischer Ort, der mich anzieht ein ein Magnet.